Die Kanzlei Recht am Ring aus Hamburg Harburg mit Schwerpunkt Familienrecht informiert aus dem Sorgerecht:
Ein 13-jähriges Mädchen beschwerte sich gegenüber seiner Lehrerin und dem Jugendamt darüber, dass ihr Vater sehr streng sei, dass sie zuhause zu viel tun müsse (Holzhacken, Tisch abräumen, Zementsäcke schleppen), dass es zwischen ihr und ihrem Vater zu häufigen Auseinandersetzungen käme und sie daher so sehr psychisch belastet sei, dass er sich schon mehrfach die Arme aufgeschlitzt habe. Sie beantragte beim Jugendamt ihre Inobhutnahme. Sie wolle bei ihrer Halbschwester leben.
Das Jugendamt stellte daher den Antrag, den Kindeseltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen.
Das Familiengericht entzog dem Eltern im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig das Aufenthaltsbestimmungsrecht bis zur Entscheidung in der Hauptsache und im Hauptsacheverfahren erließ es einen Beweisbeschluss zur Einholung eines Sachverständigengutachtens. Dagegen legten die Kindeseltern Beschwerde ein.
Das OLG Hamm hatte über diese Beschwerde zu entscheiden. Es hob die Entscheidung des Familiengerichts auf.
Das Gericht hat ausgeführt, dass der Wille des Jugendlichen und das Elternrecht umfassend gegeneinander abzuwägen sind.
Maßstab hierbei ist, ob die Eltern das Kind stark vernachlässigen, ob sie ihre elterliche Sorge missbräuchlich ausüben, ob das geistige oder leibliche Wohl des Kindes dort gefährdet ist, ob die Eltern in der Lage und gewillt sind, Gefahren von dem Kind abzuwenden, oder ob die Eltern in der Erziehung schwer versagen.
Nur, wenn einer der genannten Punkte vorliegt, kann von einer Gefährdung des Kindeswohls ausgegangen werden, die einen Eingriff in das Elternrecht rechtfertigte.
Das Gericht setzte sich sehr intensiv mit den Schilderungen des Kindes auseinander, stellte dabei zum Teil fest, dass diese nicht immer stimmig gewesen seien, hielt die an das Kind gestellten Anforderungen wie z.B. Holzhacken oder drastisch abräumen für sozial adäquat und mit dem Erziehungsrecht der Eltern vereinbar das Aufschlitzen der Arme durch das Kind zwar für eine psychische Störung, die aber nach der Erklärung der Eltern, ihre Tochter diesbezüglich an einer Therapie teilnehmen zu lassen nicht weiter Kindeswohl gefährdend. Ein von dem Kind vorgetragenes einmaliges Zuschlagen des Vaters habe sich als Ohrfeige ausgestellt.
Zwar ist der Wunsch eines dreizehnjährigen Kindes bei der Frage des Entzuges der elterlichen Sorge grundsätzlich mit zu beachten. Allerdings steht dieser dann nicht an erster Stelle, schon gar nicht, wenn die Eltern wie vorliegend, nachvollziehbare Gründe, bzw. Bedenken vortragen können, die gegen die Erziehungsfähigkeit der Schwester des Kindes sprechen.
Die Abwägung des Gerichts führt im vorliegenden Fall zum Vorrang des Elternrechts gegenüber dem von der Tochter geäußerten Wunsch zum Aufenthaltswechsel.
(OLG Hamm, Beschluss vom 20. Juni 2015, 4 UF 16/15).
Die Fachanwältinnen für Familienrecht Frau Gisela Friedrichs und Frau Anette Günther stehen Ihnen gern für weitere Fragen oder Informationen zur Verfügung.